Das Phänomen Alternanz dürfte vielen Menschen bekannt sein. Sie beobachten, dass der Baum nur jedes zweite oder dritte Jahr Obst in größeren Mengen trägt.
Meistens hägt das Obst in solchen Jahren so dicht am Baum, dass nur grünschaliges, hartes und geschmackloses Zeug geerntet werden kann. Man kann auch beobachten, dass sich viele Früchte - besonders bei kurzstieligen Sorten und meistens kurz vor der Reife - gegenseitig abdrücken oder an den Druckstellen faulen.
Zu diesem Zeitpunkt hat der Baum sich aber schon mit seiner Last verausgabt. Im Folgejahr blüht er nur wenig und trägt gar kein Obst oder nur einzelne Früchte, dann aber von hervorragender Qualität. Ich hatte an einem uralten Pfirsichbaum in zwölf Jahren nur zwei Ernten. In mageren Jahren gab es nur Obst zum Kosten. Viele Obstbauer finden sich damit ab und sagen ganz einfach das ist normal, da kann man nichts machen". Und ob!
Zuerst muss man den Baum durch einen Verjüngungsschnitt in das physiologische Gleichgewicht bringen, das heißt, er muss jedes Jahr erkennbaren Neutrieb (eigentlich Fruchtholz) ansetzen. Eine gute Düngung ist dabei Grundvoraussetzung.
Wenn der Baum nach dem Junifruchtfall (Abstoßen der unbefruchteten Früchte) noch immer ungewöhnlich viel Obst trägt, so kann/muss man einen Teil davon entfernen. Das nennt man Fruchtausdünnen oder kurz Ausdünnen. Hierbei wird ein Teil der Früchte eines Blütenbüschels (Bukett klingt edler, hat aber die gleiche Bedeutung) schonend entfernt.
Wer viel Zeit hat, kann zuerst nur zwei bis drei Früchte entfernen und etwa zwei bis drei Wochen später in einem zweiten Arbeitsgang weitermachen. Bei extrem kurzstieligem Obst sollte man nur eine Frucht pro Bukett belassen, bei langstieligen Sorten auch zwei Früchte. Damit verringert man die Belastung des Baumes und erhölt Obst von bester Qualität.
Bei sortentypisch großer Frucht sollte mindestens ein faustbreiter Abstand zwischen zwei Früchten und pro Frucht etwa zwanzig Blätter vorhanden sein. Hier kann man die Bedeutung des Begriffes Faustregel wörtlich nehmen. Selbstverständlich belässt man beim Fruchtausdünnen nur die schönsten Früchte am Baum.
Oftmals hängen die fruchttragenden Äste bogenförmig nach unten. Um die Hebelwirkung abzuschwächen, entferne ich vorzugsweise das Obst aus dem Bereich der Astspitze. Da die Blätter in diesem Bereich für einen regen Saftfluss sorgen, verbessert sich dadurch die Nahrungszufuhr der weiter hinten verbliebenen Früchte.
Neuere Erkenntnisse weisen darauf hin, dass auch der überreiche Blütenbehang auf hormonelle Art und Weise dafür verantwortlich sein kann, dass der Baum im Folgejahr kaum blüht. Das ist ein weiterer Grund, weshalb man während der Blütezeit schneiden kann/sollte.
Hierbei geht es dann um das Entfernen berreich vorhandener Blüten. Mann sollte aber zuerst mit Ausdünnen und Düngen experimentieren, bevor man in diesem Sinne Fruchtholz und Blüten entfernt.
Kurz gesagt, tut ein alternierender Obstbaum folgendes: Er produziert in einem Jahr viel Obst und im Folgejahr, wenn überhaupt, nur Holz. Wenn dann noch Wetterkapriolen dazwischen kommen und auch die seltenen Ernten ausfallen, kann es dem unschuldigen Baum passieren, dass er das Feld räumen muss.
Ganz böse ist die Reaktion mancher Obstbaumliebhaber beim Ausdünnen der Früchte. Sie verstehen nicht, warum man gerade in einem Jahr mit erfreulich hohem Fruchtansatz und nach jahrelanger Wartezeit einen Teil der erhofften Ernte wegwerfen soll. Über die Fruchtqualität machen sich diese Personen kaum Gedanken. Regelmäßiger Ertrag von guter Qualität, selbst nach Wetterkapriolen, wird von ihnen nicht wahrgenommen und auch nicht honoriert. Sie schimpfen einfach weiter...
Mein uralter Pfirsichbaum alterniert nicht mehr: Düngen, bewusster Obstgehölzschnitt und Fruchtausdünnung (dabei wird mir jedes Jahr mit Scheidung gedroht!) haben als Hilfsmaßnahmen ausgereicht.
Manche Sorten werden als typische Alternanzsorten abgestempelt. Dass kommt daher, dass man diese Sorten meistens als Halb- und Hochstämme mit großer Krone kennt und somit nur bedingt ausdünnen kann - wenn das überhaupt jemanden interessiert haben sollte. Sie alternieren dann eben. Man kann nicht jedem alten Baum das Alternieren abgewöhnen, man kann es aber abschwächen. Obst von bester Qualität ist sowieso unser höchstes Ziel.
Bei Kirschen, Mirabellen und Zwetschgen macht Fruchtausdünnung wenig Sinn, es sei denn man hat sehr viel Zeit...
Mit freundlicher Genehmigung des OLV Organischer Landbau Verlag Kurt Walter Lau aus "Obstgartenhandbuch für Selbstversorger", ISBN 978-3-922201-89-2